Mitarbeiter finden
Worauf kleine Unternehmen bauen können
(von Torsten Seelbach)
Längst rüsten Großunternehmen im Wettbewerb um die besten Arbeitskräfte auf: hohe Gehälter, teure Werbung, tolle Karrieremöglichkeiten und Extra-Sozialleistungen. In direkter Konkurrenz dagegen können kleine Unternehmen kaum bestehen. Umso wichtiger ist es, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen. Was Großunternehmen nämlich nicht bieten können sind Übersichtlichkeit, Vertrautheit und persönliche Nähe.
Es gibt Menschen, die ein überschaubares Unternehmen einem Konzern vorziehen. Doch was zeichnet sie aus? Fachspezialisten, die weder rechts noch links schauen, sind in Kleinunternehmen wenig hilfreich. Gefragt sind vielmehr Leute, die anpacken, mitdenken und sich nicht zu schade sind, auch einmal etwas zu tun, was unterhalb ihrer Qualifikation liegt.
Solche Mitarbeitende sind nicht darauf angewiesen, für alles und jedes eine Vorgabe zu bekommen. Dafür haben sie selbst ausreichend Vorstellungskraft. Oft handelt es sich um Menschen mit ausgeprägtem «Wir»-Gefühl, die für ihre Firma eine Stütze sein wollen. Deshalb brauchen sie eine verantwortungsvolle und für die Firma wichtige Aufgabe. Natürlich wollen sie auch leben und benötigen ein vernünftiges Gehalt. Aber die Bedeutung der Bezahlung tritt zurück, wenn die Mitarbeitenden, passend zu ihrer Persönlichkeit, Verantwortung und Freiräume bekommen, menschliche Anerkennung erhalten und Sinn in ihrer Arbeit finden.
Aufwand mit viel Nutzen
Für den Arbeitgeber liegt die Kunst darin, die besonderen Fähigkeiten und Stärken eines Mitarbeitenden zu erkennen, um ihn richtig einzusetzen. Dies ist nicht ganz einfach, denn direkt nach den eigenen Stärken befragt, versucht jeder, sich in einem möglichst guten Licht darzustellen. Dieser Weg führt oft in Sackgassen. Hilfreich dagegen sind Persönlichkeitsanalysen, von denen es inzwischen eine ganze Reihe gibt. In kleinen Unternehmen ist ihr Einsatz eher unüblich. Der Aufwand relativiert sich jedoch, wenn man bedenkt, welche Bedeutung jedem einzelnen Mitarbeitenden in einem eher überschaubaren Kollegenkreis zukommt.
Im Flow-Zustand bleiben
Hat ein Mitarbeitender den richtigen Platz gefunden, sind gute Voraussetzungen für einen Flow gegeben. Gemeint ist nicht etwa ein Nervenkitzel oder Kick wie beim Bungee-Jumping. Von einem Flow spricht man dann, wenn ein Mitarbeitender in seiner Arbeit aufgeht, derart, dass er die Zeit vergisst. Dazu muss der Mitarbeitende wissen, was man von ihm erwartet. Seine Aufgaben sollten seinen Fähigkeiten sowie seinen inneren Zielen und Wünschen entsprechen. Dann kann es dazu kommen, dass er seine gesamte Konzentration auf seine Tätigkeit richtet. Neurowissenschaftlich gesprochen heißt das: Unser Arbeitsgedächtnis verfügt über eine geringe Speicherkapazität. Es kann nur sieben, plus/minus zwei Informationseinheiten gleichzeitig verarbeiten. In einem Flow-Zustand wird die Speicherkapazität des Arbeitsgedächtnisses voll und ganz für eine Aufgabe genutzt. Es gibt keinerlei Ablenkung durch innere Konflikte oder Unsicherheit. Alles, was um den Mitarbeitenden herum geschieht, nimmt er nicht mehr wahr. Steigern lässt sich der Zustand nur noch, wenn die Anforderungen und Fähigkeiten nicht nur im Gleichgewicht sind, sondern wenn die Anforderungen um einen Tick erhöht werden.
In einem Flow-Zustand sind Menschen außerordentlich produktiv – und glücklich! Die Arbeit ist keine Bürde, sondern eine befriedigende Aufgabe. Damit wird deutlich, wie wichtig die Übergabe von Verantwortung ist. Handlangerdienste, auf die sonst keiner Lust hat, genügen nicht.
Den Mitarbeitenden den Sinn ihrer Arbeit verdeutlichen
Um Mitarbeitende bei der Stange zu halten, müssen sie außerdem den Sinn ihrer Arbeit erkennen können. Diesen zu vermitteln, ist eine der wichtigsten Aufgaben eines Vorgesetzten Mitarbeitende wollen wissen, wofür sie arbeiten und weshalb sie stolz auf ihr Unternehmen sein dürfen.
Die besondere Herausforderung unserer Tage besteht darin, sich den wandelnden Anforderungen des Marktes anzupassen und dabei den Kern des Unternehmens zu bewahren. Anders ausgedrückt: Es geht um die Fähigkeit, Wandel und Fortschritt mit Tradition in Einklang zu bringen. Deshalb sollten den Mitarbeitenden die Antworten auf drei zentrale Fragen geläufig sein:
- Grundwerte des Unternehmens: Für welche Werte steht das Unternehmen?
- Unternehmensstrategie: Was sind die langfristigen Ziele, die es zu erreichen gilt?
- Unternehmenszweck: die Ziele erreicht werden?
Es sind diese drei Fragen, die eine unternehmerische Vision kennzeichnen. Sie helfen den Mitarbeitenden, sich mit ihrem Arbeitgeber zu identifizieren, so dass die Arbeit als etwas erscheint, was zum Menschen dazugehört.
Ein gutes Betriebsklima schaffen
Für ein gutes Betriebsklima kommt es vor allem auf die Vorgesetzten an. Die Mitarbeitenden schauen sehr stark darauf, ob sie leben, was sie sagen, wie sie sich in schwierigen Situationen verhalten und welches Verhalten sie dulden oder sanktionieren.
Die Vorbildfunktion der Führungskräfte kann man kaum überschätzen: Sie ist eines der stärksten Instrumente, um das Verhalten der Mitarbeitenden zu beeinflussen. Durch Anschauen und Nachahmen lernen Menschen ihre gesamte Muttersprache. Durch das Verhalten der Eltern und Lehrer entwickeln sie in ihrer Kindheit das persönliche soziale und kulturelle Wertesystem. Im Berufsleben sind es die Führungskräfte, von denen die Mitarbeitenden am schnellsten und effektivsten lernen – und zwar positiv wie negativ. Wenn es also darum geht, Verhalten bei Mitarbeitenden zu ändern oder die Bereitschaft zu entwickeln, neue Wege zu gehen, dann ist die Vorbildfunktion eine unbedingte Voraussetzung. Eine Führungskraft, die selbst jeden Tag zu spät kommt, wird es nicht schaffen, den Mitarbeitenden ein Gespür für Pünktlichkeit zu vermitteln, falls sie selbst immer zu spät kommen. Das theoretische Wissen der Führungskraft über Zeitmanagement und Selbstorganisation kann da so groß sein, wie es will. Vorleben ist also unbedingtes Gebot.
Mit Geld hat all das nicht viel zu tun. Eine menschenfreundliche Umgebung gibt es dennoch nicht umsonst. Sie kostet Aufmerksamkeit und die Bereitschaft, die nötigen Dinge zu tun. Als Belohnung winkt ein schlagkräftiges Mitarbeitendenteam und eine Umgebung, in der Menschen gerne sein wollen. Das ist wichtig, denn Mitarbeitende sprechen dann positiv von ihrem Arbeitsplatz, wenn sie sich dort wohlfühlen.
Damit schließt sich der Kreis: Die positive Mundpropaganda ist für kleine Unternehmen unabdingbar bei der Suche nach neuen Mitarbeitenden. Stellenanzeigen in den Stellenmärkten der großen Zeitschriften erweisen sich meist als wenig wirkungsvoll. In der Regel sind kleine Unternehmen jedoch in ihrer direkten Umgebung gut verankert und haben ein über Jahre gewachsenes, persönliches Netzwerk. Gleiches gilt für die Mitarbeitenden. Diese persönlichen Netzwerke zu nutzen, um neue Mitarbeitende zu gewinnen, erscheint als der sinnvollere Weg. Ergänzende PR schadet natürlich nicht. Eine Schüleraktion oder eine andere Maßnahme mit anschließendem Bericht in der lokalen Zeitung
- damit ist schon viel gewonnen.
Weitere Informationen
Torsten Seelbach
ist Leiter der Akademie für neurowissenschaftliches Bildungsmanagement (AFNB). Aufgabe der Akademie ist es, das Wissen der Neurowissenschaften für Management und Weiterbildung nutzbar zu machen.
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