Die Emanzipation steht für die Gleichstellung von Frauen und Männer. Dementsprechend seien sie auch gleich zu behandeln. Gilt das immer oder wurde das zu sehr verallgemeinert und zu kurz gesprungen?
Der juristische und gesellschaftliche Gleichstellungsanspruch ist in unserem Kulturkreis sicher unumstritten. Gleichwohl weiß jeder, dass es bei allen Gemeinsamkeiten auch nicht unerhebliche Unterschiede gibt. Spätestens bei der Kinderplanung endet die Gleichberechtigung bei der Biologie.
Das Marketing differenziert schon sehr lange die unterschiedlichen Zielgruppen durch andere Ansprachen. Wer heute noch auf Unisex-Marketing setzt, sollte sich sehr schnell davon verabschieden und die Tatsache akzeptieren, dass es zwischen Männern und Frauen sehr viele Unterschiede gibt.
Viele Untersuchungen bestätigen Unterschiede in der genetischen Veranlagung und den erzieherischen und kulturellen Einflussfaktoren vor allem in biochemischen und strukturellen Unterschieden des Gehirns.
Es gibt keine Trennung in Schwarz und Weiß. Wir alle kennen Männer, die sensibler als so manche Frau sind. Wir kennen aber auch Frauen, die durch ihr Dominanzverhalten so manchen Mann in den Schatten stellen. Dennoch soll hier nur auf die unterschiedlichen Merkmale zwischen Frauen und Männern eingegangen werden, wie sie bei der überwiegenden Mehrheit der Menschen vorhanden sind.
Was also unterscheidet das Verhalten und somit auch das Kaufverhalten von Frauen und Männern aus der Sicht der Gehirnforschung?
Welche Gefühls- und Denkprozesse wir durchlaufen, wird maßgeblich durch zwei Komponenten gesteuert:
- die Neuroanatomie, also die Gestaltung der Gehirnstrukturen, und
- die Neurochemie, also die Mixtur an Botenstoffen und Hormonen.
Die wesentlichen Unterscheide sind:
Bei Männern ist in der Amygdala und im Hypothalamus das Dominanz- und Aggressionszentrum fast doppelt so groß wie bei Frauen. Der Bereich des limbischen Systems, der für Fürsorge und Sozialverhalten zuständig ist, ist bei Frauen fast doppelt so groß wie bei Männern. Viele Kerne im limbischen System, vor allem jene, die für Sexualität und Säuglingspflege zuständig sind, sind bei Männern anders ausgeprägt als bei Frauen.
Die Zusammenarbeit der Areale des Gehirns ist oft sehr unterschiedlich. Bei der Lösung von Aufgaben kommen sowohl Männer als auch Frauen oft zum gleichen Ergebnis, doch betrachtet man sich dabei die Aktivitäten des Gehirns, so sind bei Frauen andere Areale als bei Männern beteiligt.
Einen weitaus größeren Einfluss auf die unterschiedlichen Gefühls- und Denkprozesse bei Männern und Frauen haben aber die Hormone und Nervenbotenstoffe. Diese wirken auf die Gehirnstrukturen ein und können sie dauerhaft verändern.
Bei den Hormonen sind die sogenannten Androgene, die männlichen Hormone, und die Östrogene, die weiblichen Hormone, besonders einflussreich.
Bei den Botenstoffen spielen vor allem Oxytocin, Vasopressin, Prolactin und PEA (Phenylethylamin) eine besondere Rolle.
Oxytocin sorgt beispielsweise für die Zuwendung zu Menschen und belohnt durch ein angenehmes positives Gefühl. Oxytocin ist bei Frauen wesentlich stärker vorhanden als bei Männern. Neurobiologen bezeichnen diesen Botenstoff auch häufig als Kuschelhormon oder Sozialkleber, da es menschliche Bindungen stärkt.
Vasopressin wird auch als Treue-Hormon bezeichnet und spielt bei Männern eine stärkere Rolle als bei Frauen. Vasopressin löst gemeinsam mit Testosteron „Nestverteidigung“ aus und spielt auch bei Eifersucht eine nicht unwesentliche Rolle.
Prolactin macht ruhiger und sanfter und ist bei Frauen stärker vorhanden als bei Männern. Eine Zunahme dieses Botenstoffs bewirkt eine Abnahme des Geschlechtstriebs. So sorgt die Natur dafür, dass während der Stillzeit das sexuelle Verlangen der Mutter sehr stark reduziert wird.
PEA, auch Liebesmolekül genannt, sorgt im Bewusstsein für das Gefühl der Verliebtheit. Wenn Symptome wie Herzklopfen, Schmetterlinge im Bauch oder Ähnliches auftreten, dann ist meist PEA im Spiel.
Auswirkungen der Hormone und Botenstoffe auf das Kaufverhalten
Wie deutlich diese Unterschiede sind, zeigt eine Studie der TDW aus dem Jahre 2006/2007, die inzwischen auch neurowissenschaftlich belegt wurde.
Präsentiert man Probanden ein attraktives Umfeld (z.B. eine Marke, einen Menschen, etc.), wird im Gehirn der Lustkern (Nucleus Accumbens) besonders aktiv.
Außerdem schaltete das Gehirn bei der Präsentation von Attraktivitäten mit einem hohen Bekanntheitsgrad auf Automatik und verschwendet keine Energie mehr für Denken.
Wenn Reize von außen, also z.B. Werbung in Form von Bildern, Sprache oder Geräuschen auf uns wirken und dabei die eben erwähnten Emotionen auftreten, werden diese miteinander verknüpft. Diese Verknüpfung erfolgt im Hippocampus, und der Amygdala im limbischen System. Es entscheidet also unser emotionales Bewertungszentrum darüber, ob der Gesamteindruck von uns als gut oder schlecht, angenehm oder unangenehm oder als positiv oder negativ empfunden wird. Wird der Gesamteindruck als gut oder positiv bewertet, entsteht der Wunsch nach Wiederholung. Wird der Gesamteindruck als schlecht oder negativ bewertet, entsteht der Wunsch nach Vermeidung.
Fazit
Was immer Sie erreichen wollen: Achten Sie auf die Unterscheide von Mann und Frau bei der Ansprache und Präsentation. Das gilt gleichermaßen bei B2B als auch bei B2C Geschäftsbeziehungen.
Achten Sie aber auch firmenintern auf die vorgenannten Unterschiede. Unabhängig von einem allgemein erwünschten wertschätzenden und respektvollen Umgang miteinander, können Sie Ziele schneller erreichen, wenn Sie Ihre Vorgesetzten, Mitarbeiter und Kollegen richtig ansprechen. Auch die gerade wieder oft zitierte individuelle Führung Ihrer Mitarbeiter basiert auf diesen Erkenntnissen.
Lernen wir also vom Marketing und nutzen wir die zugrunde liegenden neurowissenschaftlichen Erkenntnisse auch firmenintern zur Führung und Kommunikation.
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Joachim Berendt ist Inhaber der Unternehmensberatung BERENDT & PARTNER, Saarbrücken, Partner bei Berendt Rach & Partner Personalentwicklung GbR, Mömbris, und Initiator und Gründungsmitglied der „Offensive Mittelstand – Gut für das Saarland“. Nach 12 jähriger Tätigkeit als Vorstand und Geschäftsführer mittelständischer Unternehmen berät er als ausgewiesener Experte seit 2004 den Mittelstand in Unternehmenskultur, Wissensmanagement und Personalentwicklung. Er verfügt über 22 Jahre Erfahrung als Aufsichtsrat, lehrt an mehreren Hochschulen und ist Mitglied der Akademie für neurowissenschaftliches Bildungsmanagement. Sein Beratungsunternehmen Berendt & Partner ist für seine Qualitätsberatung von Fachverbänden und vom TÜV Süd nach ISO 9001:2008 zertifiziert.
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