Sei dein eigener Experte bei einer Entscheidung
Die Einen sagen, Aktien sind langfristig gesehen immer noch die rentabelste Anlage. Andere sagen, ich habe so viel Geld mit der Internetblase und der Immobilienblase verloren, das hole ich nie mehr rein. Wer hat nun Recht?
Glauben Sie keinem Experten, aber Misstrauen Sie Ihnen auch nicht pauschal.
Wer Experten blind vertraut, leidet unter Professionalitätsgläubigkeit. Wer Experten aber blind misstraut, leidet unter Paranoia. Die Wahrheit liegt wie immer in der Mitte.
Prüfen Sie jedes Argument. Gerade, wenn es von Experten kommt, muss es nachvollziehbar und nicht mit anderen Quellen zu erschüttern sein. Ansonsten nehmen Sie es nicht an. Die Konsequenz daraus lautet: Treffen Sie keine Entscheidung für etwas, was Sie nicht verstehen. Jeder Punkt, den Sie nicht verstehen, birgt Risiken, die Sie nicht steuern können.
Entscheidung im Einzelfall
Treffen Sie niemals dieselbe Entscheidung wie immer, bloß weil etwas so aussieht wie immer. Jede Entscheidung hat eine Einzelfallprüfung verdient und nötig. Beispiel aus dem Privatleben:
Sie: Schatz, schau dir mal die Hecke an, die solltest du jetzt wirklich mal schneiden.
Er: Ja, ja spare dir die Litanei, ich weiß schon, was du sagen willst. Ich nehme mir nie Zeit für solche Arbeiten, ich kümmere mich nicht um die Kinder, ich lasse dich mit der ganzen Gartenarbeit alleine usw.
War das der Beginn eines Beziehungsstreits? Hätte er nachgefragt, wäre ihm aufgefallen, dass Sie dieses Mal wirklich nur die Rosenhecke meinte d.h., prüfen Sie jeden Fall einzeln.
1. Perfektionisten
- Erkennen Sie ihre Fesseln!
- Wie sehr sind Sie Perfektionist?
Kennen Sie das? Da werden Tabellen und Texte ewig formatiert bis sie perfekt aussehen. Und das unabhängig von der Fertigstellung und/oder Bedeutung des Inhalts.
Erkennen Sie Ihre Fesseln. Es ist leicht die Fesseln, die Sie behindern, zu leugnen. Aber beantworten Sie sich ehrlich die Frage: In wie weit lasse ich mich von solchen Fesseln einschränken?
Perfektionisten können nicht aus ihrer Haut, denn das, was sie machen, müssen sie richtig machen. Wie sehr sind Sie Perfektionist, bedeutet: wann entscheiden Sie sich für mehr als nötig ist, für mehr als sinnvoll ist, für mehr als erwartet wird oder für mehr als angesichts Ihrer Zeit und anderer Ressourcen vertretbar ist.
Wer perfekt entscheiden möchte, kann nicht richtig entscheiden.
2. Die Altruismusfalle – Wann entscheiden Sie sich nicht für sich?
Eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter gibt Kunden zu viele Rabatte, genehmigt Kulanzen oder gewährt Nachlässe. Auch übernimmt sie die für Kollegen Zusatzaufgaben, hilft hier und unterstützt da, räumt die Kaffeeküche auf, gießt Blumen im Sitzungsraum etc. Ihr Argument lautet: Das muss doch auch gemacht werden und es macht doch sonst keiner, da muss ich das doch übernehmen. Natürlich ist die Entscheidung falsch, Aufgaben zu übernehmen, die sie nichts angehen, denn Selbstlosigkeit ist kein Unternehmenszweck. Wann entscheiden Sie sich nicht für sich? Entscheiden sie immer mit dem Fokus darauf, was andere von Ihnen erwarten.
3. Der Workaholic
Der Workaholic, nennen wir ihn Klaus, hat zwar Familie, aber die sieht ihn kaum. Wenn er Entscheidungen zu treffen hat, entscheidet er nicht nach Notwendigkeit oder Rentabilität. Er entscheidet vielmehr danach, ob die Aufgabe mehr Arbeit für ihn abwirft, nach dem Motto viel Feind, viel Ehr.
Stellen Sie sich also als Workaholic die Frage: Treffen Sie Ihre Entscheidungen ergebnisorientiert? Oder aufwandsmaximierend?
4. Die Hektischen
Ines ist immer total im Stress und macht immer 5 Dinge gleichzeitig. Ihr Job ist halt so stressig. Komischerweise haben andere Kollegen, die mit ihr zusammen arbeiten diesen Stress nicht, denn diese arbeiten eine Aufgabe nach der anderen ab. Es liegt also nicht am Job, es liegt an Ines. Was sie macht, muss sie hektisch machen, das liegt in ihrem „inneren Skript“. Werden Sie also zum Happy-Hektiker und hinterfragen Sie sich einfach jedes Mal: wie (sehr) mache ich selbst Stress, wann mache ich mir Stress und wozu mache ich mir Stress.
Treten Sie beiseite und betrachten Sie sich selbst von außen mit den Augen eines Dritten. Sie sind für Ihren Job Ihr eigener Experte. Anderen könnten Sie sagen, wie diese Stress reduzieren. Tun Sie es auch für sich selbst.
5. Die Rambomanie
Haben Sie manchmal das Gefühl, dass Sie alles alleine schaffen müssen. Wie realistisch ist diese Annahme, wenn Sie andere noch nicht einmal um Unterstützung gebeten haben oder Aufgaben gar nicht delegiert haben? Insbesondere Führungskräfte im Berufsleben, aber auch Mütter leiden unter dieser Entscheidungsfessel. Kennen Sie das? „Alles im Haushalt muss ich allein machen. Die Kleinen helfen mir kein bisschen und sogar den Müll muss ich selber heraustragen“.
Dazu meint eine 7- jährige, die das zufällig mit bekam, „aber Mama sag doch einfach, wenn ich den Müll weg bringen soll.“
Die Mutter darauf, ja man kann von einer 9- jährigen doch nicht verlangen, dass sie selber darauf kommt nach dem Müll zu gucken, ob er voll ist und ihn dann selbständig rauszutragen.
Gegenfrage an die Mutter, kann man von einer 37- jährigen nicht verlangen, dass sie einer 9- jährigen das beibringt? Nein. Das kann man nicht, wenn die 37- jährige dem Skript folgt, „ich Arme muss immer alles alleine machen.“
6. Der Pessimismus
Der Pessimist folgt seinem Lebensskript „das schaffe ich nicht oder das geht nicht.“ Beispiel aus einem Unternehmen. Ein Produktmanager entwickelt ein neues Produkt und bekommt dieses von der Geschäftsführung abgelehnt. Begründung: die Produktentwicklung könne nicht finanziert und Produkte können wegen der Kapazitätsengpässe auch nicht produziert werden. Der Produktmanager war schockiert, weil alles mit Zahlen und Fakten 100% belegt war. Nach seiner Schockstarre umging er den offiziellen Dienstweg und holte sich die entsprechenden Informationen bei der Hausbank und bei dem Produktionsleiter nach den entsprechenden Kapazitäten ein. Innerhalb einer Woche hatte er von beiden Stellen das OK.
Die Geschäftsführung war baff und sagte. „Also wir sind davon ausgegangen, dass das nicht machbar ist.“
Wer also bereits vor einer Entscheidung seinem Lebensskript unbewusst folgt, das ihm einflüstert, dass etwas nicht machbar ist, der sammelt ausschließlich Begründungen auf rationaler Ebene, dass dies wirklich nicht machbar ist und alles andere unbewusst und hinter seinem eigenen Rücken stattfindet.
Das Gegenteil ist der Zweckoptimismus, der im Topmanagement und in Anlegerkreisen sehr verbreitet ist. 80% aller Projekte im Projektmanagement werden unter viel zu optimistischen Annahmen geplant. Das ist auch der Grund, weshalb viele Projekte aus dem Ruder laufen. Und bei Anlegern werden die Aktien unter der unbegründeten Annahme gekauft, sie würden steigen.
Überlegen Sie sich daher immer: Welche stillschweigenden Annahmen stellen Sie ihrer Entscheidung voran. Z.B.:
- Ich muss alles selber machen.
- Ich muss 5 Dinge gleichzeitig tun.
- Ich muss es so machen, dass es anderen gefällt.
- Ich schaffe das nicht.
- Ich schaffe das doch locker.
- Ich muss perfekt sein.
Praktisch alle Fehlentscheidungen, alle falschen Entscheidungsregeln und alle Entscheidungsfesseln liegen stillschweigenden und falschen Annahmen zu Grunde.
Die Fesseln abstreifen
Wir fragen uns, wie können Bänker und Spezialisten nur so dumm sein, Schrottkredite in Milliarden Höhe zu kaufen und uns in die größte Finanzkrise seit den 20er Jahren zu stürzen. Wir fragen uns, warum Leute an Formatierungen arbeiten, obwohl der Inhalt wichtig ist. Wir fragen uns, warum die Mutter ihren Sohn nicht einfach fragt, ob der den Müll raus tragen kann. Wir fragen uns, warum Ines immer 5 Dinge gleichzeitig tun muss und wir fragen uns warum ein Geschäftsführer einen Topvorschlag einfach ablehnt.
Als Außenstehender ist nicht zu erkennen, welche Entscheidungsfesseln den Anderen gerade blind machen.
Beispiel: Sie gehen durch eine Einkaufsstraße in der Mittagszeit und Sie verspüren einen kleinen Hunger. Auf Anhieb können Sie sagen, wo sich welches Gasthaus, wo sich welcher Imbiss und welche Dönerbude befindet. Warum erzählen Sie uns dann nicht vom Friseur und vom Juwelier und von der Apotheke? Es liegt daran, dass Sie Hunger haben und alles andere ausgeblendet wird, automatisch. Ein Familienrichter sagte einmal: „Die meisten Ehen werden zum falschen Zeitpunkt geschieden, die einen zu früh und die anderen zu spät.“ Warum gehen Menschen dann nicht exakt zum richtigen Zeitpunkt auseinander. Also zu dem Zeitpunkt, an dem jedem Außenstehenden klar ist, dass die Sache keine Zukunft hat. Warum entscheiden sich die einen fälschlicher Weise zu lange zu bleiben, während die anderen sich fälschlicherweise entscheiden, zu früh zu gehen. Beide treffen eine Fehlentscheidung. Die einen, die die unbewusste Annahme verfolgen, das wird schon wieder, während die anderen, die ebenso unberechtigte Annahme verfolgen, das wird nichts mehr. Sie kleben an diesen Annahmen fest, weil ihre selektive Wahrnehmung nur noch Informationen durchlässt, die diese Annahme unterstützen. Meist geben wir dieser Annahme erst dann auf, wenn es wirklich ganz dicke kommt und auch dann manchmal nicht.
Viele Menschen kennen ihre Fesseln, können sich aber nicht von ihnen lösen, denn:
- Wir können uns Dinge nicht abgewöhnen, die uns nutzen.
- Der Versuch löst einen inneren Widerstandsreflex aus, so wie bei dem Perfektionisten, dem es innerlich weh tut, wenn er nur Zahlenmaterial aufbereiten und dieses nicht schön formatieren soll. Deshalb kann er sich den Perfektionismus nicht abgewöhnen.
Die Entfesselung
Der beste Weg eine Entscheidungsfessel abzulegen, ist
ihren versteckten Nutzen zu erkennen, zu würdigen und anzuerkennen
und die Möglichkeit der realen Situation anzupassen.
Der Perfektionist sollte also nicht gegen seine eigene Natur kämpfen. Er sollte ergründen, wie viel Perfektionismus in jeder einzelnen Situation möglich ist. Dann erkennt er, wenn z.B. eine Aufgabe unter Zeitdruck erledigt werden muss und einfach keine Zeit für 100% Perfektion vorhanden ist. Denn der Kunde hat ausdrücklich auf schnelle Erledigung gepocht und nicht auf perfekte. Außerdem bezahlt der Kunde uns auf keinen Fall eine perfekte Lösung. Also entwickele ich z.B. keine Individuallösung, sondern passe Standartlösungen an.
Entfesselungstraining
- Unbewusstes bewusst machen. Erkennen Sie, welche tiefsitzenden Entscheidungsfesseln chronisch und systematisch ihre Entscheidung verfälschen.
- Hören Sie auf, diese inneren Treiber zu bekämpfen. Kampf ist Krampf und kostet bloß Energie und verhärtet die Fronten.
- Drehen Sie den Spieß um und suchen und erkennen Sie Nutzen und Vorteile Ihrer Fesseln. Mit dieser zusätzlichen Sicht, können Sie sich selbst treu bleiben nach dem Motto „schön, dass ich so bin, wie ich bin“.
- Suchen Sie ganz bewusst nach jenen Informationen, die dagegen sprechen, Ihrem inneren Treiber in dieser konkreten Entscheidungssituation freien Lauf zu lassen oder zu folgen.
- Wie viele von Ihren Antreibern können Sie in der konkreten Situation dennoch ausleben?
So könnte der Altruist z.B. sagen „schön, dass mir das Wohl der anderen Menschen so am Herzen liegt und ich mich um diese bemühe (Würdigung). Aber, wenn ich jedermanns Arbeit mache, schaffe ich meine eigene Arbeit nicht (Widerspruch zum persönlichen Skript). Das Geschirr in der Kaffeeküche und die Blumen lasse ich heute einmal stehen und erledige erst einmal meine Ablage, die dringend gemacht werden muss“ (Wahlentscheidung).
Der Workaholic könnte sagen, wenn ich viel arbeite, fühle ich mich wohl. Wenn ich aber heute Abend zum vierten Mal in dieser Woche erst um neun nach Hause komme, bekomme ich wahrscheinlich auch Stress. Also mache ich eher Schluss und arbeite morgen wieder länger. In der mittelfristigen Entwicklung könnte er sich sagen, ich habe zu Hause Verpflichtungen und viel zu erledigen. Ich muss mir Zeit für meine Kinder nehmen, ich muss mit meiner Frau was unternehmen. Deshalb muss ich die Aufgaben verlagern.
Quelle des Artikels: AFNB – Akademie für neurowissenschaftliches Bildungsmanagement.
Joachim Berendt ist Inhaber der Unternehmensberatung BERENDT & PARTNER, Saarbrücken, Partner bei Berendt Rach & Partner Personalentwicklung GbR, Mömbris, und Initiator und Gründungsmitglied der „Offensive Mittelstand – Gut für das Saarland“. Nach 12 jähriger Tätigkeit als Vorstand und Geschäftsführer mittelständischer Unternehmen berät er als ausgewiesener Experte seit 2004 den Mittelstand in Unternehmenskultur, Wissensmanagement und Personalentwicklung. Er verfügt über 22 Jahre Erfahrung als Aufsichtsrat, lehrt an mehreren Hochschulen und ist Mitglied der Akademie für neurowissenschaftliches Bildungsmanagement. Sein Beratungsunternehmen Berendt & Partner ist für seine Qualitätsberatung von Fachverbänden und vom TÜV Süd nach ISO 9001:2008 zertifiziert.
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